Rückblick auf das Konzert des Eran Har Even Trios feat. Claire Parsons
Am Samstag, dem 21. Mai 2022, spielte das Eran Har Even Trio in Begleitung von Claire Parsons ein Konzert bei der Jazz & Rock Stage Sindorf. Rund 40 Zuschauer begeisterten sich für die jazzige Musik, gepaart mit elektronischen Effekten und einer Vielfalt stilistischer Einflüsse. Was macht diese Musik aus? Und welche Tipps haben die Künstler für Musikschüler? Mehr dazu in diesem Artikel!
Eran Har Even brachte nicht nur viel Talent, sondern auch Internationalität nach Sindorf. Der gebürtige Israeli wanderte in die Niederlande aus, um 2012 seinen Bachelor- und Masterabschluss am Konservatorium von Amsterdam zu erlangen. Mit der Zeit wurde aus dem Lehrling ein Meister: Er machte sich einen Namen in weltweiten Jazzszene und ist mittlerweile selbst Dozent am Amsterdamer Konservatorium. In der Musikschule Lämmle trat er mit seinem Trio auf, bestehend aus dem niederländischen Drummer Jeroen Batterink und dessen Landsmann Itai Weissman am Electric Wind Instrument (EWI). Die luxemburgische Sängerin Claire Parsons ergänzte das Trio zu einem Quartett.
Die Musikschule bringt eine Besonderheit für die Musiker mit: die Nähe zum Publikum. Es entsteht eine persönliche Dynamik zwischen den Spielern und Hörern. Für diesen Artikel habe ich Claire, Eran und Jeroen interviewt. Die Heim-Atmosphäre der Musikschule kam auch bei ihnen an, wie mir Claire erzählt: „Ich persönlich präferiere dieses Setting. Es hat diesen Wohnzimmer-Vibe.“ Jeroen empfindet rückblickend: „Es war sehr schön heute, weil dieses Publikum eine Gemeinschafts-Stimmung vermittelt.“
Eran Har Evens Musik – Eine Wundertüte
Die Musik des Quartetts wurde in Zuschauergesprächen nach der Show mit unterschiedlichen Schlagworten umschrieben: Jazz, Blues, Hip-Hop Rhythmus, rockig, Pop-Gesang, elektronische Effekte. Um welches Genre handelt es sich denn nun? Jeroen ordnet ein: „Wenn Improvisation geschieht, bei der eine Konversation während des Spiels entsteht, dann ist es Jazz für mich.“
Die meisten Songs haben einen jazzigen Kern, mit einem swingenden Beat, dem warmen Ton der E-Gitarre und dem hellen Klang des Saxophons aus dem EWI. In einem Song tritt auf einmal Claires Stimme hervor, die durch unterschiedliche Effekte galaktisch weit klingt. Später nimmt plötzlich Eran das Zepter in die Hand und spielt ein Solo aus komplexen Harmonien auf der Gitarre. In einem anderen Moment betrachtet Eran gespannt den Freestyle von Itai am EWI, um ihn stimmig zu begleiten. Die Musik des Quartetts ist verträumt, durch seine Variabilität allerdings auch sehr erfrischend und überraschend.
Eran betrachtet die Musik des Trios folgendermaßen: „Der Kern unserer Musik besteht darin, die Songs zu respektieren. Es gibt einen Song und wir versuchen einerseits mit seinen Grenzen zu arbeiten, als auch miteinander zu interagieren.“ Jedes Lied besitzt eine tiefergehende Geschichte, ob es sich nun um persönliche Erfahrungen oder Erzählungen von kosmischen Dystopien handelt. Allerdings ist die Musik von Erans Quartett kein Monolog, sondern ein Gespräch, das spontan offen für Neues ist. „Die Eleganz des Improvisierens ist ein großer Teil unserer Musik.“, erklärt Eran. „Deshalb wird unsere Musik jede Nacht ein wenig unterschiedlich klingen. Diese Mischung aus Singer-Songwriting, Interpretation und Interplay macht es selbst für uns schwer, unsere Musik zu benennen. Vielleicht macht das jemand für uns.“
Die einzigartigen Wege zum musikalischen Traum
Ich frage die Gruppe: „Wenn euer musikalischer Werdegang verfilmt worden wäre, wie würde der Filmtitel lauten?“ Claire kommt schlagartig eine Antwort: „Kevin – Allein zu Hause“. In chaotischen Umständen und auf sich allein gestellt, wird Kevin nämlich kreativ. Nach etwas Bedenkzeit hat auch Eran seinen biographischen Film im Kopf: „Chasing a dream.“ Seine Filmbeschreibung: „Wir haben alle schon früh diese Vision im Kopf gehabt, wie Musik zu einem Teil unseres Lebens wird. Dieses Bild hat sich zwar oft verändert, aber es begleitet uns weiterhin. Der Traum ist allerdings noch nicht vorbei… wir brauchen also auch eine Fortsetzung… oder eine Saga.“
Jeroen erinnert sich gut, wie seine musikalische Saga begann: „Für mich fing alles mit der Entdeckung an, dass ich in etwas gut bin. Es ist ein sehr gutes Gefühl, wenn man als ein selbstzweifelndes Kind herausfindet, dass man ein Talent hat. Später bin ich einer Band beigetreten. Diese gebündelte Energie hat uns inspiriert, Musik wirklich ernst zu nehmen.“ Er deutet auf ein Tattoo auf seinem Unterarm, mit dem Namen seiner ersten Band „e-sevensharp9“. Claires Inspiration für Musik begann mit der CD-Sammlung ihrer Eltern: „Ich war einfach süchtig danach, so viele CDs wie möglich zu hören und solange zu wiederholen, bis ich sie auswendig konnte. Darin habe ich nicht mal einen großen Sinn gesehen, es war einfach etwas, was mir Spaß gemacht hat. Das ist auch so geblieben. Ich verstehe nicht warum ich es tue. Es ist einfach etwas, was ich tun möchte.“ Eran überlegte als Kind, was er als Erwachsener einmal sein möchte. Allerdings konnte er lange kein Vorbild finden. Jeder Job erschien ihm langweilig. Bis er eines Tages MTV entdeckte und sich für die Leidenschaft und das außergewöhnliche Leben der Musiker begeisterte. Der Rest ist Geschichte.
Tipps für Musikschüler
Und wie bleibt man als Musiker am Ball? Ob man es glaubt oder nicht, selbst für leidenschaftliche Profimusiker gehören Motivationslosigkeit zum Leben dazu, wie Jeroen mir erzählt: „Musiker im Allgemeinen sind oft unsichere Wesen. Vielleicht sehen wir auf der Bühne selbstüberzeugt aus, aber viele Musiker haben in Wirklichkeit Selbstzweifel.“ Wenn man einer Leidenschaft nachgeht, erlebt man stets „ups and downs“. Was Jeroen hilft sind Erinnerungen an Erfolgsmomente, schließlich sind sie es, die aus einem Tun eine Leidenschaft machen. Eran empfiehlt, Selbstbeurteilungen gelassen anzugehen: „Mein Mentor sagt mir damals, man muss eine gute Balance finden: ´Wer bist du um so hart über dich selbst zu urteilen?´ Wenn du denkst, dein Auftritt war gut, sagen andere, es war nicht so gut. Wenn du denkst dein Auftritt war schlecht, sagen andere: ´Du hast heute mein Leben verändert.´ Auch wenn man sich dann denkt: ´Kerl, putz deine Ohren!´“
Ich möchte mich Claires Tipp anschließen: Inspiriert euch durch das Hören von Musik! Für mich, einen Teenager aus der Generation „Musik-Streaming“, war diese improvisierte Musik im nahen Setting eine begeisternde Erfahrung!
Von Leon Paul